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Wenn man in den letzten Jahren die Medien aufmerksam verfolgt hat, so konnte man immer häufiger über teils sehr brutale Gewalttaten gegenüber Zivilpersonen lesen, bei welchen den Opfern trotz in der Nähe befindlicher Personen oder vorbeilaufender Passanten keine Hilfe zuteil wurde. Wie kann es nun sein, dass in einer ansonsten so aufgeklärten Gesellschaft wie der unseren derartiges vorkommen kann? Woher kommt diese Kultur des Wegschauens und wieso verweigern so viele Leute Menschen, die offensichtlich in größter Not sind, ihre Hilfe? Die Antworten hierzu fallen sicherlich sehr unterschiedlich aus, wobei eine Ausrede für das Nichteinschreiten auffallend häufig vorkommt: „Ich hatte Angst, bei einem Eingreifen möglicherweise selbst vor dem Richter zu landen, aus Unsicherheit habe ich mich dann lieber aus der Situation herausgehalten.“ Einen großen Beitrag zu dieser Unsicherheit tragen sicherlich auch die teilweise skandalösen Gerichtsurteile bei, aufgrund derer sich dem neutralen Betrachter oftmals der Verdacht aufdrängt, dass Täterschutz vor Opferschutz kommt. Sicherlich trifft das nicht auf alle Gerichte und sämtliche Richter zu, jedoch liest oder hört man immer wieder von Urteilen, bei denen äußerst brutal vorgehende Täter mit zum Teil lächerlich anmutenden „Strafen“ davonkommen. Warum beispielsweise ein 21jähriger, der einen anderen durch mehrmalige gezielte Tritte gegen den Kopf tötet oder ins Koma prügelt, nach Jugendstrafrecht abgeurteilt wird und mit einer Bewährungsstrafe davonkommt, bleibt ein wohlgehütetes Geheimnis unseres Rechtssystems.

Aber kommen wir zurück zu der Frage nach den befürchteten rechtlichen Konsequenzen, denen sich in Notwehr handelnde Personen oder dem Opfer helfende Dritte (vermeintlich) ausgesetzt sehen. Hierzu werfen wir zunächst mal einen Blick auf den sogenannten Notwehrparagraphen, welcher unter § 32 Strafgesetzbuch (StGB) zu finden ist. Dieser besagt:

§ 32 (Notwehr)

(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

 

Wie man bereits hier anhand des Wortlauts erkennen kann, ist nicht nur dem unmittelbar angegriffenen das sich zur Wehr setzen im Rahmen der Notwehr gestattet, vielmehr können sich auch eingreifende Dritte auf diesen Paragraphen berufen, wenn sie einem in Not befindlichen Menschen zu Hilfe kommen. Hierbei ist eine solche Verteidigungshandlung durch das Gesetz gedeckt, welche als geboten und erforderlich angesehen wird, um einen gegenwärtigen und rechtswidrigen Angriff auf ein Opfer abzuwehren. Eine Verteidigung in Notwehr wird hierbei als erforderlich angesehen, soweit sie einerseits zur Abwehr des Angriffs geeignet ist, und andererseits das relativ mildeste Mittel zur Abwehr darstellt. Die Geeignetheit wird von den Gerichten anhand der konkreten Situation eines Falles beurteilt, wobei der Verteidiger grundsätzlich das für ihn erreichbare Abwehrmittel wählen darf, das eine sofortige und endgültige Beseitigung des Angriffs erwarten lässt. Wird beispielsweise eine 1,60m große Frau mit einem Gewicht von 50kg von einem 2-Meter-Hünen mit einem Gewicht von 130kg attackiert, so erscheint es unter Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit im Rahmen des Notwehrrechts sicherlich statthaft, wenn sich diese mit Hilfsmitteln wie beispielsweise einem Kuli oder einem Regenschirm zur Wehr setzt. An dieser Stelle sollte auch darauf hingewiesen, dass „Verteidigung“ im Rahmen der Notwehr nicht bedeutet, dass man sich zuerst schlagen lassen muss, bevor man selbst tätig werden darf. Vielmehr ist es gestattet, auch den ersten Schlag (Englisch.: „pre-emptive strike“) auszuführen, wenn klar ersichtlich ist, dass die Bedrohung durch den Angreifer auf anderem Weg (z.B. Flucht, Deeskalation usw.) nicht mehr abzuwenden gewesen wäre.

Unabhängig von der oftmals schwierigen Beurteilung, welche (körperlichen) Maßnahmen in einer Notsituation zur Abwehr der akuten Gefahr notwendig sind, ist festzuhalten, dass Nichtstun in jedem Falle die schlechteste Lösung ist. Gleichwohl körperlich schwächeren Personen oder älteren Menschen nicht zuzumuten ist, sich unmittelbar in den Gefahrenbereich einer physischen Auseinandersetzung zu begeben, so kann doch erwartet werden, dass diese wenigstens per 110 einen Notruf an die Polizei absetzen oder andere Passanten gezielt ansprechen, um auf die Notsituation eines Dritten aufmerksam zu machen. Hierbei empfiehlt es sich, die Leute direkt und persönlich anzusprechen, da sich der so angesprochene nicht mehr hinter der Ausrede verstecken kann, er habe von der Situation nichts mitbekommen. Eine individuelle Ansprache wie etwa „Sie da, in der blauen Jacke, bitte kommen Sie mit, dort drüben wird gerade jemand Opfer einer Gewalttat, wir müssen etwas tun, um Hilfe zu leisten...“ wird in aller Regel die Bereitschaft zur Hilfeleistung deutlich erhöhen, da hierdurch die Anonymität der Masse durchbrochen wird.

Aus Sicht von uns, die wir Selbstverteidigungstrainings anbieten, ist es sehr wichtig, darauf hinzuweisen, dass sich die Trainierenden bereits lange vor einem (hoffentlich nie eintretenden) Ernstfall, d.h. einem möglichen körperlichen Übergriff auf der Straße, darüber klar werden müssen, inwieweit sie hinsichtlich möglicher rechtlicher und körperlicher Folgen einer solchen Notwehrsituation mit sich selbst im Reinen sind. Fängt man erst zum Zeitpunkt einer akuten Notsituation an, sich über derartige Dinge Gedanken zu machen, so hat man den Kopf nicht frei genug, um eine solche Situation zu meistern bzw. halbwegs unbeschadet zu überstehen. Ein ohnehin hemmungslos agierender Gewalttäter würde das durch diese Bedenken ausgelöste zögerliche Verhalten seines potentiellen Opfers sofort ausnützen, um noch brutaler vorzugehen, da er instinktiv spüren würde, dass von seinem Gegenüber aufgrund der Unsicherheit keine nachhaltige Gegenwehr zu erwarten ist. Innerhalb eines Selbstverteidigungstrainings sollten daher auch immer die mentale Einstellung und die psychologischen Komponenten des Themas Gewalt thematisiert werden, da nur durch die Einbeziehung all dieser Faktoren eine nachhaltige Verteidigungsfähigkeit erreicht werden kann.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass Zivilcourage und Opferhilfe in unserer Gesellschaft noch viel stärker gefördert werden müssen, helfen und hinschauen statt wegsehen ist hier das Gebot der Stunde. Jeder Einzelne von uns kann hierzu ein Stück beitragen, wobei das Zusammenwirken vieler zur Hilfe entschlossener Menschen in Notsituationen immer noch die beste Möglichkeit ist, um Gewalttäter von ihrem Tun abzubringen.

Einige lesenwerte Gedanken zum Thema Zivilcourage findet ihr auf der Seite der Dominik Brunner Stiftung.